Alltag in einem hessischen Flüchtlingscamp: Grausam und unmenschlich

Jede Nacht wird Einer abgeholt. Viele haben Angst, der Nächste zu sein. Verzweiflung und Schrecken prägen den Alltag im Flüchtlingscamp.
Acht Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete betreibt das Regierungspräsidium Gießen in Hessen. Drei davon sollen jetzt schließen, weil immer weniger Flüchtlinge kommen. Dennoch schieben die Behörden weiterhin gnadenlos Menschen ab.
„Rückführung“ nennen sie das oder „Überstellung“. Sie reden von „Dublin-Fällen“ und rechtfertigen ihre Grausamkeiten mit bürokratischen Floskeln. Wer europäischen Boden zuerst in Italien betreten hat, soll zurück dahin, wo er ohne staatliche Unterstützung auf der Straße leben muss.
Längst ist die irische Stadt Dublin zum Synonym für bürokratische Unmenschlichkeit geworden. Derweil schickt sich die CSU an, der AfD den Rang abzulaufen in Punkto Hetze gegen geflüchtete Menschen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte einen „Master-Plan“ vorstellen. Darin plant er, „Dublin-Fälle“ gleich an der Grenze abzuweisen. Außerdem möchte er sogenannte „AnkER-Zentren“ einrichten, um Geflüchtete dort zu kasernieren und dann noch leichter abschieben zu können.
Dabei sind die riesigen Flüchtlingscamps mit mehreren hundert oder gar tausend Bewohnenden schon jetzt Orte des Grauens. Eindrücklich berichtete eine Geflüchtete von ihrem Alltag in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Hessen. Auch sie ist ein „Dublin-Fall“ und fürchtet jeden Tag ihre Abschiebung.
Im Mai war ein beinamputierter Mann bei der Abholung durch die Polizei vor lauter Erregung mehrmals einfach umgefallen. Der Rettungsdienst musste einen Rollstuhl holen. Darin wurde er vor den Augen seiner weinendeen Ehefrau und der schreienden Kinder sowie zahlreicher Bewohner des Camps „abgeführt“.
Einen Mann, den sie Anfang Juni abholen wollten, fanden die Polizisten nicht. Allen Bewohnern des Camps zeigten sie ein Foto; aber keiner konnte sagen, wo sich der Gesuchte befand. Daraufhin drohte ein Polizist den Befragten an, dann einfach sie anstelle des gesuchten Mannes mitzunehmen.
In Juni hatte die Polizei mehrmals einen Hund dabei. Das Bellen und Knurren des Tiers geht nicht nur der Berichterstatterin durch Mark und Bein. Heftig zittert die Frau, wenn sie unter Tränen von ihren Erlebnissen in einem hessischen Flüchtlingscamp berichtet.
In ihrem Herkunftsland ist die Betroffene gefoltert worden. In dem Land, wohin sie von dort aus geflüchtet war, brannte ihre Flüchtlingsunterkunft. Ein Psychologisches Gutachten bescheinigt der Frau schwere Depressionen und eine Posttraumatische Belastungsbeh störung (PTBS).
Die täglichen Aktionen der Polizei haben die Frau sowie die meisten Mitbewohner im Camp schwer zermürbt. Menschenrechtler könnten die nächtlichen Abholaktionen der hessischen Polizei als „grausame und unmenschliche Behandlung“ und somit als „Folter“ bezeichnen. Aber im schwarz-grün regierten Hessen herrscht natürlich Humanität.

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