Vor Tricks zur Aushöhlung der Verfassung warnt die Humanistische Union Hessen. HU-Landessprecher Franz-Josef Hanke hat die Landesregierung am Montag (10. April) aufgefordert, die in der hessischen Verfassung festgelegte Gebührenfreiheit für ein Erststudium nicht anzutasten.
In einem Rechtsgutachten für das Hessische Wissenschaftsministerium hatte der Berliner Staats- und Verwaltungsrechtler Christian Graf von Pestalozza der Landesregierung einen Weg aufgezeigt, wie auch in Hessen trotz eines entsprechenden Verbots in der Landesverfassung eine Studiengebühr vom ersten Semester an erhoben werden könnte.
Er hält es nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) für rechtlich möglich, eine allgemeine Studiengebühr einzuführen, wenn Studierende sie über ein öffentliches Darlehen gegenfinanzieren können. Erst bei einem ausreichenden Einkommen wäre dieser Kredit dann zurückzuzahlen.
Wissenschaftsminister Udo Corts hatte sich in der Vergangenheit bereits für eine Studiengebühr von ungefähr 500 Euro pro Semester ausgesprochen. Um sie durchzusetzen, hatte er das Pestalozza-Gutachten in Auftrag gegeben.
Im Gegensatz zu dem Gutachter hält die HU Hessen die nun vorgeschlagene Vorgehensweise aber für verfassungswidrig. Sie sieht darin einen „Taschenspielertrick, mit dem die klare Regelung der Hessischen Verfassung ausgehebelt werden soll“. In jedem Fall verstoße eine Studiengebühr vom ersten Semester an gegen den Geist der Verfassungsregelung.
Die Verfassung sei aber keine Dispositionsmasse, die „je nach Bedarf und Kassenlage beliebig zurechtgebogen“ werden dürfe. Die HU Hessen forderte den Wissenschaftsminister und den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch deswegen auf, die Landesverfassung uneingeschränkt zu respektieren und dem Gutachten nicht zu folgen.
„Schließlich haben Koch und Corts ihren Amtseid ja auf eben diese Verfassung geleistet“, bemerkte Hanke. „Wie sollen Bürgerinnen und Bürger Respekt vor Politik und Gesetz haben, wenn die höchsten Repräsentanten des Landes so großzügig mit deren Grundlage umgehen?“
Im gebührenfreien Erststudium sieht der HU-Landessprecher eine Verfassungsgarantie für den uneingeschränkten Zugang aller Menschen zur Bildung. Selbst nicht unbedingt rückzahlbare Darlehen bilden nach seiner Einschätzung eine Hürde, die weniger Bemittelte vor einem Studium zurückschrecken ließe.
„Angesichts der bedrückenden Ergebnisse der Pisa-Studie, die schlechtere Bildungschancen für sozial benachteiligte Menschen dokumentiert hat, wäre es wohl eher angebracht, die Bildungssysteme zu öffnen“, forderte Hanke abschließend. „Und wenn alle zuwenig Geburten in Deutschland beklagen, dann sollten sie einmal darüber nachdenken, wie junge Leute kurz nach einem Studium gleichzeitig die Rückzahlung ihres Darlehens und die Aufwendungen für ihre Kinder finanzieren sollen!“