Vor einer flächendeckenden Überwachung aller Menschenunter dem Vorwand des Infektionsschutzes warnt die Humanistische Union Hessen. Die in Südkorea entwickelte App zur Corona-Warnung hält die Bürgerrechtsorganisation für verfassungswidrig.
„Diese App erfasst die Bewegung der Menschen von Funkzelle zu Funkzelle“, erklärt der stellvertretende HU-Landessprecher Stefan Hügel. „Sie verfolgt eingeschaltete Handys und erstellt daraus Bewegungsprofile. Ob sich aber Menscheninnerhalb des Sendebereichs eines Funkmasts oder an der Grenze zwischen zwei sogenannten Funkzellen physisch begegnen, kann sie nicht klar ermitteln.“
Sein Marburger Vorstandskollege Franz-Josef Hanke warnt die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung vor Überreaktionen: „Populistische Reaktionen verunsichern nicht nur die ohnehin schon verängstigten Menschen, sondern erschüttern auch deren Vertrauen in die Verantwortlichen.“ Das Urteil des Verwaltungsgerichts München zur Ausgangssperre in Bayern zeige die Gefährlichkeit populistischer Überreaktionen sehr deutlich.
„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt uneingeschränkt auch in Krisensituationen„, erklärte der HU-Landessprecher Jens Bertrams. „Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) bleibt verfassungswidrig, so sehr sie sich manche Politiker auch herbeisehnen und -reden.“
Unerlässlich ist nach Auffassung der HU Hessen die Berücksichtigung besonderer Personengruppen wie behinderter oder psychisch kranker menschen. Gerade in der derzeitigen Situation sei es wichtig, dass sie nicht alleingelassen werden und die nötige unterstützung erhalten. Auch mit Rücksicht auf psychisch labile Menschen verbietet sich nach Überzeugung der HU jede übermäßige Einschränkung ihres alltäglichen Lebens.
Gleichzeitig äußert die HU Anerkennung für das Gros der bislang verfügten Maßnahmen. Auflagen zu Hygiene, der Versammlungsfreiheit und die Schließung größerer Einrichtungen mit erhöhter Übertragungsgefahr seien richtig. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aller Menschen sei laut dem Grundgesetz jedoch ebenso wichtig wie der Schutz ihrer Menschenwürde, bekräftigte Bertrams.
„Noch problematischer als die Maßnahmen selbst ist die Tatsache, dass die Zivilgesellschaft bereit ist, ohne Widerstand die Grundrechtseinschränkungen durch behördliche Allgemeinverfügung hinzunehmen, ohne zu prüfen, ob diese Behörden überhaupt dazu ermächtigt sind, und ob es eine hinreichende Sicherheit dafür gibt, dass die Maßnahmen zu gegebener Zeit wieder aufgehoben werden“, erläutert Bertrams. „Haben wir Angst vor dem Virus, sind uns die Grundrechte so egal, dass wir sie uns ohne Debatte aus der Hand nehmen lassen. Ich erwarte gar keinen physischen Widerstand, aber ich erwarte die Aufmerksamkeit gesellschaftlicher Organisationen und aller aufgeklärten Bürger*Innen, die die Maßnahmen zumindest kritisieren und darüber debattieren sollten, denn kritikwürdig sind sie nach geltendem Recht durchaus.“
Der HU-Landessprecher appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger: „Für die Demokratie sind wir alle verantwortlich. Gerade in Krisenzeiten ist besonnenes Verhalten der Bevölkerung eine Voraussetzung, dass die Behörden die Freiheitsrechte nicht übermäßig einschränken müssen.“