„Wenn ich mein Büro verlasse, bin ich in Feindesland“, berichtete Dr. Fritz Bauer. Am 1. Juli 1968 wurde der hessische Gemeralstaatsanwalt tot aufgefunden.
Die Tatortaufnahme wie auch die späteren Ermittlungen waren merkwürdig stümperhaft. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Fritz Bauer ermordet wurde“, meinte dazu Bauers langjähriger HU-Mitstreiter Klaus Scheunemann. Der HR-Hörfunkjournalist kann sich einen Suizid des Antifaschisten und entschiedenen Kämpfers für Gerechtigkeit nicht vorstellen.
Dazu hatte Bauer zu viel vor. Der Generalstaatsanwalt wollte auch diejenigen Juristen zur Rechenschaft ziehen, die sich an Unrechtsurteilen der Nazi-Justiz beteiligt hatten. Doch da machte ihm der ehemalige Nazi Eduard Dreher in seiner neuen Funktion als Beamter des Bundesmjustizministeriums mit einem heimlich durch den Bundestag geschmuggelten Amnestiegesetz einen Strich durch die Rechnung.
Gelungen hingegen ist Bauer mit dem großen Auschwitz-Prozess in Frankfurt die erste juristische Aufarbeitung der systematischen Ermordung von Menschen in einem Konzentrationslager (KZ). Inzwischen gehören die Tonband-Mitschnitte, die für dieses Gerichtsverfahren angefertigt wurden, zum Welt-Dokumentenerbe der UNESCO. Diese Berichte betroffener Zeitzeugen strafen alle die Lügen, die die Shoa leugnen oder verharmlosen.
Bauer wurde am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren. Als weltlicher Jude und Homosexueller sowie Sozialdemokrat musste er vor der Verfolgung durch die NS-Diktatur ins Exil fliehen. Nach seiner Rückkehr berief der erste Hessische Ministerpräsident Georg August Zinn seinen früheren Weggefährten zum Generalstaatsanwalt.
Gleich nach Bauers Tod benannte die Humanistische Union (HU) ihren Bürgerrechtspreis nach ihm. Erster Preisträger wurde Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann.
Bei der jüüngsten Preisverleihung am 9. Juni 2018 in Berlin erinnerte sich der Preisträger Hans-Christian Ströbele an seine Politisierung durch das sogenannte Reese-Urteil. Darin wurde ein Richter am Nazi-Volksgerichtshof trotz mindestens acht Todesurteilen mit der Begründung freigesprochen, das „was damals Recht war“, „heute nicht Unrecht sein“ könne. Für Ströbele war dieses Urteil der Anlass, seine Rolle als Rechtsanwalt kritisch zu überdenken und sich als Sachwalter der Gerechtigkeit zu positionieren.
„Leider habe ich Bauer nie kennengelernt“, bedauerte Ströbele. „Sicherlich hätten wir uns in vielen Aspekten gut verstanden.“
In letzter Zeit findet Bauer mehr und mehr Anerkennung in der Öffentlichkeit. Zwei Filme dokumentieren sein Leben mehr oder weniger eindringlich. Während „Der Staat und Fritz Bauer“ eher auf Spielszenen setzt, hat Ilona Ziok in ihrem Dokumentarfilm „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ vor allem auf die Aussagen von Weggefährten und historische Filmdokumente gesetzt.
In Frankfurt ist inzwischen ein Institut nach Fritz Bauer benannt. Außerdem hat die Auszeichnugn der HU neuerdings einen Namensvetter bekommen.
All das kann jedoch nicht darüber hinwegtrösten, dass Bauers Kampf für Gerechtigkeit und gegen die Möglichkeit einer Wiederholung der Shoa heute mehr Unterstützung benötigt denn je. Im Gewand rechtspopulistischer und rassistischer Parteien und Bewegungen kehren genau diejenigen Aussagen und Haltungen verstärkt in den deutschen Alltag zurück, die den Massenmord an Millionen Menschen möglich gemacht haben. Im Gedenken an den „Nestbeschmutzer“ Fritz Bauer sollten möglichst viele Demokratinnen und Demokraten allen Entwicklungen mutig entgegentreten, die Demokratie und Meinungsfreiheit aushöhlen und Hetze oder Überwachung an ihre Stelle zu setzen versuchen!