pe 19-7: Keine kommunalen Facebook-Fanpages – Offener Brief

Städte und Gemeinden sollten keine Facebook-Fanpages betreiben. In einem Offenen Brief klären DieDatenschützer Rhein-Main (DDRM) und die Humanistische Union Hessen (HU) die hessischen Kommunen über die Rechtslage zum Datenschutz auf.
„Nach geltendem Recht sind die Betreiber von Facebook-Fanpages für alle Verstöße verantwortlich, die Facebook mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger begeht“, erklärte Walter Schmidt von den Datenschützern Rhein-main. „Keine Kommune kann ernstahft verantworten, die Bürgerinnen und Bürger diesem unkalkulierbaren Risiko für ihre Privatsphäre auszuliefern.“
Als unglaublich unersättliche Datenkrake“ bezeichnete der HU-Landessprecher Jens Bertrams den US-amerikanischen IT-Konzern. „Wir wollen die Menschen vor einem Missbrauch ihrer Daten schützen und die Kommunen dafür sensibilisieren“, erklärte er die gemeinsame Aufklärungsaktion. „Genauso wie Neustadt sollten Städte und Gemeinden ihre Facebook-Fanseiten abschalten und stattdessen eigene Internetangebote zur Beteiligung der Bürgerschaft einrichten, wie es beispielsweise mein Wohnort Marburg tut.“
In ihrem Offenen Brief legen HU Hessen und DDRM die geltende Rechtslage mit mehreren Verweisen auf die entsprechenden Gerichtsentscheide dar. „Angesichts des in den letzten Jahren bekanntgewordenen Umgangs von Facebook mit sensiblen Daten und seinem Geschäftsmodell, das allein auf einer umfassenden Verwertung und Vermarktung aller erreichbaren Daten besteht, ist die Nutzung dieses Netzwerks unverantwortlich“, resümiert Schmidt. „Städte und Gemeinden sollten beim Datenschutz zudem mit gutem Beispiel vorangehen“, ergänzt Bertrams abschließend. Offener Brief
An alle Gemeinden, Städte und Landkreise in Hessen,
die Facebook-Fanpages betreiben

Facebook-Auftritt abschalten!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Facebook-Fanpages, wie Sie auch von Ihrer Gebietskörperschaft genutzt werden, sind schon lange im Visier der deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden. Am 05.09.2018 fasste die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder einen Beschluss zu Facebook Fanpages. Darin wird zu Beginn festgestellt: „Mit Urteil vom 5. Juni 2018 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Aktenzeichen C-210/16, entschieden, dass eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Facebook-Fanpage-Betreiberinnen und Betreibern und Facebook besteht. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat in ihrer Entschließung vom 6. Juni 2018 deutlich gemacht, welche Konsequenzen sich aus dem Urteil für die gemeinsam Verantwortlichen –
insbesondere für die Betreiberinnen und Betreiber einer Fanpage – ergeben. Bei einer gemeinsamen Verantwortlichkeit fordert die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unter anderem eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, die klarstellt, wie die Pflichten aus der DSGVO erfüllt werden.“ Der Entschließung ist ein Fragebogen angefügt, den Facebook-Fanpage-Betreiberinnen abarbeiten sollen.

Am 02.01.2019 teilte die Stadt Neustadt (Landkreis Marburg-Biedenkopf) auf ihrer Intertnetseite mit: „Bisher nutzte die Stadtverwaltung einen Facebook-Auftritt, um über aktuelle Ereignisse zu informieren. Facebook verbindet eine Seite mit dem Statistikdienst ,Insights‘, der sich bisher nicht deaktivieren lässt und der Daten aller Seitennutzer erhebt, auch ohne deren Einverständnis. Durch das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung ist der Betrieb einer Facebook-Seite deshalb für eine Stadtverwaltung nicht mehr datenschutzkonform möglich.“

Diesem Beispiel ist Ihre Gebietskörperschaft bislang nicht gefolgt.

Mit Urteil vom 11.09.2019 (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 15.18) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellt: „Der Betreiber eines im sozialen Netzwerk Facebook unterhaltenen Unternehmensauftritts (Fanpage) kann verpflichtet werden, seine Fanpage abzuschalten, falls die von Facebook zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel aufweist.“ Anlass für dieses Urteil war eine Anordnung der schleswig-holsteinischen Datenschutzaufsicht, mit der eine in Kiel ansässige Bildungseinrichtung verpflichtet worden war, die von ihr bei Facebook betriebene Fanpage zu deaktivieren. Die Datenschutzaufsichtsbehörde beanstandete – nach dem o. g. Urteil des BVerwG zu Recht – dass Facebook bei Aufruf der Fanpage auf personenbezogene Daten der Internetnutzer zugreife, ohne dass diese gemäß den Bestimmungen des Telemediengesetzes über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung sowie ein Widerspruchsrecht gegen die Erstellung eines Nutzungsprofils für Zwecke der Werbung oder Marktforschung unterrichtet würden.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern Sie auf,
.
die Stellungnahme der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 05.08.2018 und .
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.09.2019 zu beachten und .
dem Beispiel der Stadt Neustadt (Landkreis Marburg-Biedenkopf) folgend den Facebook-Auftritt Ihrer Gebietskörperschaft umgehend abzuschalten. Mit freundlichen Grüßen
dieDatenschützer Rhein Main
Humanistische Union Hessen