pe 20-6: Rechtsstaat ade? RP und VG Gießen gefährden die Demokratie

Ein gestörtes Verhältnis zu Rechtsstaat und Demokratie wirft die Humanistische Union (HU) dem Gießener Regierungspräsidenten vor. Trotz klarer Eilentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts behindere die Behörde das Demonstrationsrecht im Dannenröder Wald.
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war eine Klatsche auch und gerade für das Gießener Verwaltungsgericht“, erklärte Rechtsanwalt Tronje Döhmer. Die Karlsruher Richter erklärten die Einschätzung des VG Gießen für rechtswidrig, Übernachtungen auf mehrtägigen Protestkundgebungen seien nicht vom Versammlungsrecht gedeckt. Der stellvertretende Vorsitzende der HU Marburg hatte diese Eilentscheidung des BVerfG erwirkt.
Doch die vierte Kammer des VG Gießen ließ sich davon nicht beeindrucken und bestätigte erneut einige – – nicht vor dem Verfassungsgericht verhandelte –
Verbote von Mahnwachen des RP Gießen. Erst der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hob dieses verfassungswidrige Übernachtungsverbot letztlich auf.
„Das Regierungspräsidium hat trotz der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts versucht, die Demonstrationen zu behindern“, kommentierte Jens Bertrams die Entwicklung im Dannenröder Forst. „Der RP und das Verwaltungsgericht Gießen schädigen die Demokratie, indem sie das Vertrauen in den rechtsstaat durch ihre Missachtung höchstrichterlicher Entscheidungen nachhaltig erschüttern.“
Problematisch findet der Landessprecher der Humanistischen Union Hessen bereits das Eintreten des RP in das Verfahren. Als Versammlungsbehörde zog das Regierungspräsidium die Zuständigkeit für Demonstrationen im Dannenröder Forst an sich, obwohl das Versammlungsrecht gar nicht zu seinen Aufgaben gehört. Besonders
problematisch ist diese Tatsache laut Bertrams vor allem deswegen, weil Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich als Vorsitzender des „Regionalmanagements Mittelhessen“ noch wenige Tage zuvor einen zügigen Ausbau der Autobahn A49 durch den Dannenröder Forst gefordert hatte. Darin sieht die HU eine Interessenkollision, die sich im Verhalten der Behörde im Umgang mit Demonstrationsanmeldungen zum Nachteil des Demonsttrationsrechts niederschlage. „Die durchaus begründeten Proteste gegen die Abholzung eines Waldes mit 300 Jahre alten Bäumen zugunsten einer Autobahn mitten in einem Trinkwassergebiet dürfen nicht kriminalisiert werden“, fordert die HU Hessen.
Bertrams fragt sich, wie die Grünen Hessen die Polizeieinsätze gegen Klimaschützer mit ihrem Image als Partei des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes vereinbaren wollen: „Die Grünen müssen nun im wahrsten Sinne der Worte Farbe bekennen, ob sie für Klimaschutz eintreten oder ihn bekämpfen. Wer das Engagement für Klimaschutz mit Gewalt niederprügelt, der missbraucht die Polizei zur Durchsetzung einer überkommenen Politik der Umweltzerstörung und Zukunftsvernichtung.“