Um 9 Uhr in Wiesbaden: Rede von Franz-Josef Hanke vor dem Landtagsgebäude

Heute halte ich eine Rede vor dem Landtag in Wiesbaden. Thema ist das „Gesetz zur Neuordnung des Verfassungsschutzes in Hessen“.

Diese Gesetzesnovelle hält mich und viele weitere Menschen seit Wochen in Atem. Bei der Landesmitgliederversammlung der Grünen Hessen am 18. November in Hanau errangen die Kritiker eine knappe Mehrheit der Stimmberechtigten gegen das Gesetzesvorhaben. Dennoch treibt die Landtagsfraktion der Grünen die Gesetzgebung im Eiltempo durch das Parlament.
Argumente gegen den Einsatz von Spähsoftware hat der Chaos Computer Club Darmstadt auf der Internetseite www.hessentrojaner.de zusammengestellt: Wer Trojaner einsetzt, benötigt dafür Lücken in Computersystemen, die er möglichst lange geheimhalten muss, um sie zu nutzen. Dadurch machen solche Spähprogramme alle Rechner der Welt unsicherer, weil deren Programmierer die verwendeten Lücken nicht an die Hersteller der betroffenen Software melden. Zudem können Trojaner die befallenen Rechner verändern. Gerade für Menschen mit Behinderungen kann das zum ernsten Problem werden, weil sie auf bestimmte Einstellungen ihrer Geräte und Programme angewiesen sind, um Assistive Technologien überhaupt nutzen zu können.
Die Gründe gegen das Gesetz sind zahlreich. Verschiedene Stellungnahmen zum Gesetzentwurf geben unterschiedlichste Kritikpunkte wider. Nur einige davon hat der ehemalige HU-Bundesvorsitzende Dr. Till Müller-Heidelberg in seiner juristischen Stellungnahme für den Hessischen Landtag aufgegriffen.
Besonders empörend ist die Tatsache, dass die Hessische Landesregierung dem Verfassungsschutz mehr Machtmittel einräumen möchte, obwohl seine Verstrickung in den Mord an Halit Yozgat immer noch nicht zweifelsfrei aufgeklärt ist. Angesichts der dubiosen Rolle des VS-Beamten Andreas Temme und seiner nachweisbaren Falschaussagen vor dem NSU-Untersuchungsausschus und im NSU-Prozess ist das unvertretbar. Ein Geheimdienst, der Quellenschutz höher einstuft als die Aufklärung eines Mordes, gehört abgeschafft. Als Mitbegründer der Marburger Initiative gegen den Überwachungsstaat (MIgÜSt) kann ich mich noch sehr gut an den Protest gegen die Volkszählungen 1983 und 1987 erinnern. Was damals einen massenhaften Boykott auslöste, ist jedoch völlig harmlos gegenüber dem, was der hessische gesetzentwurf an Überwachungsmaßnahmen jetzt vorsieht. Deshalb haben im Dezember 2017 zunächst 15 Organisationen eine Gemeinsame Erklärung dazu ausgearbeitet. Mittlerweile haben sich dieser kritischen Stellungnahme 23 Organisationen und 47
Einzelpersonen
angeschlossen.
Gemeinsam organisieren wir nun den Protest gegen ein Wiederaufleben von Berufsverboten, gegen Gesinnungsschnüffelei bei Mitarbeitern von Demokratieprojekten, gegen den Einsatz krimineller V-Leute und gegen unkontrollierte Macht für den hessischen Inlandsgeheimdienst. Der einzig wahre Verfassungsschutz ist schließlich die gelebte Demokratie und das freiheitliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger.
In Marburg haben wir eine örtliche Kampagne angestoßen. Dabei arbeitet die Humanistische Union (HU) mit Piraten und Linken zusammen. Für mich, Michael Weber von den Piraten und Jochen Schäfer von der Kabarettgruppe „Die Durchblicker“ führt das zu einer ganzen Woche unermüdlichen Einsatzes für die Bürgerrechte.
Begonnen hatte diese Aktionswoche am Montag (5. Februar) mit einer Mahnwache vor der Kreisgeschäftsstelle der Grünen in Marburg. Nächster Höhepunkt war dann am Mittwoch (7. Februar) die Podiumsdiskussion „Stirbt Freiheit mit Sicherheit? in Wiesbaden. Die Demonstration am Donnerstag (8. Februar) um 9 Uhr auf dem Dernschen Gelände vor dem Hessischen Landtag leitet die um 10 Uhr anschließende Anhörung des Innenausschusses im Landtag ein.
Wahrscheinlich wird es wieder eine ähnlich anstrengende Woche werden wie die im Oktober 2016. Beim Geheimdiensttribunal haben wir am 22. und 23. Oktober 2016 einen kritischen Blick auf die Arbeit auch des Verfassungsschutzgesetzes geworfen. Ich freue mich, Till Müller-Heidelberg, Rolf Gössner und Constanze kurz wiederzutreffen, die damals dort auch mit dabei waren.